Bei der Rente gibt es immer weniger zu verteidigen, aber umso mehr zu gewinnen – mit klaren Reformzielen.

Bei der Rente gibt es immer weniger zu verteidigen,

aber umso mehr zu gewinnen – mit klaren Reformzielen.

Der „Seniorenaufstand“ macht einen Vorschlag, um zu gemeinsamen Zielen und einem gemeinsamen Vorgehen zu kommen. Die Überwindung von Zersplitterung und einer Sprachlosigkeit bei der Formulierung von positiven Reformzielen steht auf der Tagesordnung. Die Bewunderung von Massenbewegungen und besserer Sozialpolitik in anderen Ländern steht in einem großen Kontrast zum Klein, Klein der sozialreformerischen Kräfte im eigenen Land.

 

In Frankreich gehen Millionen wegen drohender Rentenkürzungen auf die Straße und streiken seit Wochen. Sie haben viel zu verteidigen. Ein Rentenniveau, das über 75% der im Arbeitsleben erzielten Nettoeinkommen liegt und ein Renteneintrittsalter von 62 Jahren.

 

In Österreich haben vor 17 Jahren Hunderttausende auf vielfältige Weise deutlich gemacht und durchgesetzt: Sie wollen keine Privatisierung ihrer Rentenversicherung. Heute haben sie ein Rentenniveau, dass zwischen 70% und 100% höher liegt als bei den deutschen Rentnern und sie haben eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen.

 

In Chile gehen Hunderttausende (nach unseren Maßstäben mehrere Millionen) auf die Straße, weil die Privatisierung der Altersversorgung durch das Pinochet-Regime zu hunderttausendfacher Not und Elend geführt hat. 

 

In Deutschland sind wir uns schnell einig: Wir brauchen Renten wie in Österreich und wir müssten uns zur Wehr setzen wie die Franzosen. Über Chile können wir uns schwer einigen, weil wir darüber nur wenig wissen. Dabei drohen in Deutschland chilenische Verhältnisse, was die Altersarmut angeht.

Von österreichischen oder französischen Verhältnissen bleiben wir meilenweit entfernt, wenn wir nicht endlich unsere eigenen Schwächen überwinden.

Mit „wir“ ist hier immer gemeint: die sozialreformerischen Kräfte in diesem Land, die den Sozialstaat verteidigen und ausbauen wollen.

 

Es reicht nicht aus, wenn wir die Mini-Reformen der Regierenden kritisch begleiten, den katastrophalen Niedergang der Altersversorgung skandalisieren und die durchgängige Propaganda für die Privatvorsorge in den Medien beklagen.

Es reicht auch nicht aus, wenn wir uns gegen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen zu einzelnen Gesetzen zur Wehr setzen. Wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlieren, dass es um sehr Grundsätzliches geht.

 

Wir müssen endlich zu gemeinsamen Reformzielen und zum Aufzeigen von Wegen dorthin kommen, mit denen wir die vielen Millionen Betroffenen ermutigen können, aufzustehen und sich in Bewegung zu setzen.

 

Wir wollen eine Rente, die den Lebensstandard im Alter sichert. Ja, das sagen alle. Nur wie hoch soll die dann sein? Da gibt es wenige, teilweise lächerliche, aber auch ambitionierte Zielvorstellungen.

 

Wir wollen eine armutsvermeidende Altersversorgung. Nur, ab welchem Einkommen können wir von armutsvermeidend reden? Auch hier gibt es nur wenige klare und schon gar keine gemeinsamen Konzepte.

 

Wir wollen alle eine gemeinsame Erwerbstätigenversicherung. Nur, mit welchem sinnvollen und realistischen Versorgungsziel? Hier gibt es bisher nirgendwo Vorschläge.

 

Die im „Seniorenaufstand“ arbeitenden Kolleginnen und Kollegen haben sich in einem Workshop am 28.11.2019 in Hamburg mit diesen Problemen beschäftigt und den Vorschlag eines Reformprogramms für einen gründlichen Richtungswechsel in der Altersversorgung gemacht.

Der Vorschlag ist mit sechs zentralen Punkten auf www.seniorenaufstand.de veröffentlicht.

(Reiner Heyse, 18.12.2019)