„Merkel will Rente aus Wahlkampf heraushalten“!

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Warum, erklärt Armin Laschet (CDU-NRW): „Ein Rentenwahlkampf würde nur zur Verunsicherung von Millionen Menschen führen“.

Nein! Die Menschen werden erkennen, wie sehr sie betrogen wurden!

Nun ist der Druck aber so stark geworden – Stichwort rasant steigende Altersverarmung –, dass die Öffentlichkeit reagiert. In immer mehr Medien werden die tatsächlichen Verhältnisse aufgeklärt.

Das ist sehr gefährlich und deshalb werden bereits lange vorbereitete Gegenstrategien (*) in den Medien plaziert. Also muß zur Gegenaufklärung gegriffen werden.

Nur als kleines Beispiel, hart aber fair, vom 25.4.16:

Der Staatssekretär im Finanzministerium, Jens Spahn, warnt eindringlich: „Auf zwei Rentner wird ein Beitragszahler kommen“ – völlig absurd, die Maximalberechungen von destatis sagen für 2060: „Zwei Beitragszahler unterhalten einen Rentner“. Ein Versprecher von Spahn? Selbst wenn – niemand in der Runde ist dazwischen gegangen – aber die „Horror“vision sickert natürlich in die Köpfe des Millionenpublikums.

Oder ein zweites Beispiel von Spahn: „Die Lebenserwartung in Deutschland steigt jeden Tag vier bis fünf Stunden! Jeden Tag!“ Jeder Dreisatzrechner bekommt da heraus: alle 5-6 Jahre hat sich die Lebenserwartung um 1 Jahr erhöht. Macht nach Adam Riese: in 50 bis 60 Jahren eine Steigerung der Lebenserwartung um 10 Jahre. Woher Spahn seine Zahlen hat?  Auf keinen Fall von destatis oder dem Robert Koch Institut, das zu Jahresanfang eine von der Bundesregierung beauftragte Studie herausgegeben hatte. Die kommen unisono auf 7 Jahre, also auf 70% der Spahn-Zahlen (****). Egal wie: schon wieder ist eine „Horror“zahl in die Köpfe eines Millionenpublikums gesetzt.

Oder ein drittes Beispiel, immer noch Spahn: „Für jedes Prozent Rentenniveau zahlt man 6 Mrd. €, (es folgt ein rechnerisches Kauderwelsch) …, das heißt wenn wir das Rentenniveau wieder auf 50% anheben, zahlt jemand mit 3.000€ Einkommen 75€ mehr im Monat im Jahre 2030.“ Nimmt man seine Zahlen ernst und rechnet sie auf heutige Verhältnisse, kommt man auf 15€ mehr im Monat (**). Niemandem ist die merkwürdige Kaffesatzrechnung aufgefallen – wie auch bei dem Stress in so einer Schlag-Abtausch-Runde. Aber das Ergebnis (75€ mehr im Monat) erreicht Millionen Köpfe.

Neben der Methode: „Lügen mit Zahlen“, anders kann man das nicht bezeichnen, werden als weitere Methoden die subtileren Formen der Gegenaufklärung angewendet. Sie zielen auf Verunsicherung und Spaltung: „Altersarmut gibt es praktisch nicht“; „Was ist schon Armut hierzulande, wenn man die Armut im Sudan dagegen sieht…“; „Kinderarmut ist viel schlimmer…“; „Unter den Niedrigrentenbeziehern befinden sich auch Ehefrauen von Ärzten oder Anwälten“;…. Und was seit einigen Monaten in eklatanter Häufigkeit kommt: „Den Eckrentner gibt es doch gar nicht, er ist ein Konstrukt, dass es in Wirklichkeit nicht gibt“ (so auch Spahn).

Warum wird der „Eckrentner“, den es seit Jahrzehnten gibt, plötzlich und offensichtlich abgesprochen, in Zweifel gezogen ? (***)

Weil der „Eckrentner“ eine statistische Referenzperson ist (45 Jahre Durchschnittseinkommen bezieht), die derzeit mit 1170€ Rente auskommen muss. Diese Größe wird  im Jahr 2030 auf ca. 1050€ abgesenkt sein (nach heutigen Preisen). Die offizielle Armutsgefährdungsschwelle liegt derzeit bei 980€.

Das sind Beträge, mit denen jeder Mensch unmittelbar etwas anfangen kann. Die Brisanz liegt darin, dass das Durchschnittseinkommen (ca. 2.900€ brutto im Monat) noch nicht einmal 50% der abhängig Beschäftigten erhalten. Das Medianeinkommen, welches genau das mittlere Einkommen darstellt, liegt 250€ bis 300€ niedriger. Diese Zahlen machen schon heute deutlich, dass es 2030 in diesem Land weit über 10 Millionen Menschen geben wird, die eine Rente unter der Armutsgefährdungsschwelle bekommen werden. Eine Politik, die das sehenden Auges betreibt, macht nicht unsicher, sie macht wütend!

Alle Verteidiger der letzten Rentenreformen und des Drei-Säulenmodells (gesetzliche-, private-, betriebliche Rente) fassen ihre Ablehung der Rückkehr zum alten Rentensystem vor 2000 oder gar 1990 mit einem Wort zusammen: Unbezahlbar!

Dabei ist dieses Argument aus zwei Gründen unsinnig und falsch:

Es ist unsinnig, weil die Renten immer von den gerade Arbeitenden mit bezahlt werden müssen. Einerlei ob im Umlageverfahren oder über „Sparen“ – siehe Folgebeitrag Der Unsinn von der “Ausbeutung der Jugend” und  der “Unfinanzierbarkeit“.

Es ist falsch, weil die nachhaltige Finanzierung von lebensstandardsichernden Renten durch die gesetzliche Rentenversicherung durchaus möglich ist – siehe Folgebeitrag „Die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rente ist möglich“.

 

(*) Z.B. die Rürup-PROGNOS-Studie April 2014, erstellt im Auftrag des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GRV).

(**) Nach Spahn-Zahlen (auch die sind durchaus kritisch zu sehen):

1% Rentenniveau kosten 6 Mrd. €;

1% Rentenniveau = 0,5% höherer Rentenversicherungsbeitrag. Für Beschäftigte: 0,25% (die Hälfte).

Anhebung des Rentenniveaus um 2% von 48% auf 50%: 1% Beitragserhöhung – Beschäftigte: 0,5% mehr.

0,5% von 3.000€ macht 15€. Wie daraus im Jahr 2030 75€ werden können, weiß nur Spahn.

(***) Ursprung wieder eine PROGNOS-Studie, erstellt im November 2015, im Auftrag des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GRV). Kritik daran siehe hier.

(****) Korrektur 14.6.16: nicht 5 Jahre, sondern 7 Jahre bei destatis.

(Reiner Heyse, 02.05.2016)