Prof. Raffke_hüschen – stets zu Diensten

Was haben die vom Gesamtverband der deutschen Versicherungen (GDV), oder Einzelgesellschaften wie der AXA, oder jüngst der UNION INVEST in die Welt gesetzten „wissenschaftlichen Studien“ gemeinsam?

Sie werden von so gut wie allen Medien (Zeitungen, Magazinen, Fernsehnachrichten) als „Expertenaussagen“ unkritisch übernommen. Die einschlägigen Pressemitteilungen der Versicherungen sind dabei so mundgerecht aufbereitet, dass Texte, Grafiken und regionale Besonderheiten direkt in Medienberichte hinein kopiert werden können. Von diesem „Service“ wird, wie es scheint, sehr gerne Gebrauch gemacht.

Mit Journalismus hat das wenig, mit kostengünstiger Public Relation dafür umso mehr zu tun.

Jüngstes Beispiel ist der „Vorsorgeatlas 2017“, herausgegeben von der UNION INVEST, „erarbeitet“ von Prof. Raffelhüschen. Die genaue Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Studie lohnt nicht. Es reicht schon, wenn man sich die beiden zentralen Behauptungen ansieht:

„Aber erst die private Vorsorge sichert den Lebensstandard“

Die Studie behauptet, dass Menschen, die heute zwischen 20 und 34 Jahre alt und Durchschnittsverdiener sind, eine Rentenlücke von 633€ mit privater Vorsorge schließen müssten, um ihren Lebensstandard im Alter zu sichern.

Was natürlich interessant ist, aber von keinem Journalisten nachgefragt wird:

Wieviel müsste dieser Durchschnittsverdiener monatlich privat vorsorgen, um die erwähnte Rentenlücke von 633€ schließen zu können?

Antwort: ein heute 35jähriger müsste dazu mindestens 400€ von seinem Einkommen abzweigen. Das sind bei einem Durchschnittsverdiener mindestens 13% seines Einkommens. Zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung, für die 9,35% bezahlt wird. Unglaublich – oder?

Die Basis für diese Berechnung lieferte die Allianzversicherung in einem Werbeprospekt zur MetallRente aus dem Jahr 2014. Ein 35jähriger, der 100€/Monat 32 Jahre lang zurücklegt, erhält bei einem Zinssatz von 1,75% monatlich eine Rente von brutto 169€. Heute beträgt der Garantiezinssatz 0,9% – die 169€ sind aus heutiger Sicht also schon Aussichten aus dem Wolken-Kuckucksheim.

Es wäre zur Einordnung der Studie auch hilfreich, wenn die Medien berichten würden, dass ERGO, AXA und GENERALI alte Versicherungsverträge, die noch relativ hoch verzinst sind, weiterverkaufen wollen – die Verträge sind anscheinend toxisch geworden. Die Aufkäufer müsste man dann wohl, ähnlich der bad-banks, als bad-insurance bezeichnen.

Ebenso sollte erwähnt werden, dass ERGO, Alte Leipziger, DEVK und CosmosDirekt   den Vertrieb von Riesterverträgen mittlerweile eingestellt haben. “Riester” wird immer unverkäuflicher, trotz verstärkter staatlicher Förderung.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der aktuellen Finanzmarktsituation zu behaupten, „aber erst die private Vorsorge sichert den Lebensstandard“, erfordert schon eine gehörige Portion Abgebrühtheit. Herr Raffelhüschen arbeitet offensichtlich nicht als Wissenschaftler, sondern als Werbeträger.

Die zweite zentrale Aussage der Strudie lautet:

„Wer die Gnade der frühen Geburt hat (über 50), ist auf der sicheren Seite.“

1,1 Millionen beziehen Grundsicherung, weil die Rente unter Hartz IV-Niveau liegt (100% Steigerung in 12 Jahren).

3,5 Millionen erhalten eine Rente unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von rund 1000€ (60% Steigerung in den letzten 10 Jahren).

Das Rentenniveau aller Rentner ist seit 2003 um 10% gesunken.

Da wirkt die Behauptung des hochbezahlten Professors wie der blanke Hohn.

(Reiner Heyse, 13.10.2017)

* Namensgebung und Hinweis auf den folgenden WIKIPEDIA-Eintrag erhielten wir von engagierten Lesern dieses BLOG:

„Die Nebentätigkeiten Raffelhüschens in der Versicherungswirtschaft haben wiederholt zu Kritik geführt, da er als Wissenschaftler die kapitalgedeckte private Altersvorsorge propagiert.
So ist Raffelhüschen Mitglied im Aufsichtsrat der ERGO Versicherungsgruppe sowie der Volksbank Freiburg. Des Weiteren ist er als wissenschaftlicher Berater für die Victoria Versicherung AG in Düsseldorf tätig.
… Darüber hinaus ist er als Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tätig.
Raffelhüschen betätigt sich auch als Vortragsreisender für die private Versicherungswirtschaft, beispielsweise mit 40 Veranstaltungen der Heidelberger MLP AG allein im Jahre 2004 und weiteren im Jahre 2005.
Vorwurf der interessengesteuerten Forschungsarbeit.“