Die Brücke zur Erwerbstätigenversicherung – 1,5%!

Die Brücke zur Erwerbstätigenversicherung – 1,5%!

Am 20.8. erläuterte Landtagspräsident Schlie einer fühnfköpfigen Delegation des “Seniorenaufstands” die Ergebnisse der Renten- kommission für S-H. Er hörte Zustimmung für die moderate Neu-Pension aber auch deutliche Kritik, dass die Landespolitker für ihre eigene Versorgung die Privatvorsorge abschaffen, ihre Wähler aber bei Riester und Co. (also Geldvernichtern) bleiben sollen.

Ist das die Brücke, die eine gemeinsame Erwerbstätigenversicherung ermöglicht? Vieles spricht dafür: Ein Konzept für die Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein, das 1,5% des Einkommens als Anwartschaft auf die zukünftige Rente vorsieht.

 

In Schleswig-Holstein hat eine Sachverständigenkommission für die Abgeordneten des Landtags eine neue Versorgungsordnung vorgeschlagen. Kernpunkt ist eine Alterspension die pro Jahr Mandatsträgerschaft 1,5% des Grundeinkommens beträgt. (hier: Hintergrund und Aktionsbericht vom “Seniorenaufstand” im Dezember 2018)

Das ist bemerkenswert und verdient eine genauere Bewertung, weil es der Schlüssel für die gemeinsame Versicherung aller Erwerbstätigen sein kann.

Seit vielen Jahren fordern Gewerkschaften und Parteien aus dem linken Lager die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung für die Rente. Um die entscheidende Frage, auf welchem Niveau die Rentnerinnen und Rentner dann versorgt werden müssten, wird bis heute von allen ein großer Bogen gemacht.

Seit einigen Jahren wird die vorbildliche Altersversorgung in Österreich bei uns zur Kenntnis genommen und zum erstrebenswerten Ziel propagiert. Aber auch hier weichen Gewerkschaften und linke Organisationen der Frage aus, wie hoch dann das Rentenniveau sein müsste.

Die Sprach- bzw. Hilflosigkeit kann überwunden werden. Die Beschäftigung mit den konkreten Fakten ist dabei notwendige Voraussetzung.

 

Die Pensionen der Landtagsabgeodneten in Schleswig-Holstein und anderer Parlamente:

Im Jahr 2007 beschlossen die Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein ihre staatlichen Pensionen durch Privatvorsorge abzulösen. Im Jahr 2018 stellen sie mit Entsetzen fest, dass ihre Rentenansprüche nur noch ein Viertel so hoch sein würden wie nach der alten Pensionsordnung.

Vor 2007 betrug die Anwartschaft 3,675% je Mandatsjahr. Das hätte heute nach 10 Parlamentsjahren einen Pensionsanspruch von 3.020€ ergeben.

Mit der Privatvorsorge wurden ihnen eine Pension von gerade einmal 768€ in Aussicht gestellt. Bei einer monatlichen Sparrate von 1.829€!

Die jetzt vorgeschlagenen 1,5% begründen einen Pensionsanspruch nach 10 Jahren von 1.299€.

Das sind 69% mehr als nach geltendem Recht, aber auch 57% weniger als vor 2007.
1,5% wäre eine Anpassung mit Augenmaß. Verlgeicht man sie mit den Pensoionszusagen der anderen Parlamente, wirkt sie nahezu bescheiden:

Parlament


erreichte Anwartschaft


nach 10 Jahren


Pension


nach 10 Jahren


Höchst-


versorgung

Bundestag


25%


2.521€


65%


Bayern


33,5%


2.829€


71,75%


Niedersachsen


25%


1.794€


71,75%


Sachsen


36%


2.140€


70%


Berlin


35%


1.380€


65%

Schleswig-

Holstein

15% 1.299€ 60%

Das “bescheidene” Pensionsniveau der S-H-Abgeordneten relativiert sich aber stark, wenn man es mit den Renten der gesetzlich Versicherten vergleicht. Die Anwartschaften der rentenversicherten Beschäftigten steigern sich momentan lediglich um 1%, in 10 Jahren also um 10%.

Ein grober Vergleich der Versorgungswerke Österreichs, der Beamten, der Parlamentarier und der gesetzlich Rentenversicherten zeigt die riesengroßen Unterschiede:

 

Vergleich der Rentenanwartschaften bei wichtigen Versorgungswerken:

Versorgungswerk


in/für


Steigerung


pro Jahr


maximale


Versorgung – brutto


nach x


Jahren


ca.: maximale


Versorgung – netto

Österreich


1,78%


80,1%


45


92%

Beamte


1,79%


71,75%


40


76%

Bundestag


2,5%


65%


26


72%

Landtag S-H*


1,5%


60%


40


67%

RentnerInnen D


1,0%


45%


45


60%

(*) Nach dem Kommissionsvorschlag vom Juni 2019

Zu den Zahlen muss noch ergänzt werden:

  • Die Nettoqoute der deutschen Rentenversicherten wird nach Gesetzeslage durch nachgelagerte Besteuerung und Rentenniveau-Senkung durch Dämpfungsfaktoren bis 2040 von 60% auf 50% sinken.
  • Die Prozentwerte der Parlamentarier und der Beamten beziehen sich auf das zuletzt erreichte Einkommen. Demgegenüber beziehen sich die Prozentwerte der österreichischen und deutschen Rentenversicherten auf die Einkommen des gesamten Arbeitslebens, die in aller Regel deutlich niedriger als das zuletzt erzielte Einkommen sind. 

Würde die Rentenanwartschaftssteigerung von 1,5% pro Jahr auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen, ergäbe sich ein Bruttorentenniveau von 1,5% x 45 Jahre = 67,5%. Daraus würde sich für den Eckrentner / die Eckrentnerin ein Nettorentenniveau von ca. 80% ergeben (Nettorentenniveau vor Steuern ca. 73%).

Klingt das utopisch? Vielleicht in vielen Ohren. Und die interessengeleiteten Lobbyisten und Propagandisten werden aufheulen – „unbezahlbar“, „Ausbeutung der Jungen“, etc.

Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich aber: Das Niveau liegt immer noch deutlich unter dem der Beamten und Politiker. Die erreichen die Maximalversorgung bereits nach 40 Jahren (oder früher) und bezogen auf das letzte erzielte Einkommen.

Bei unvoreingenommener Betrachtung erkennt man, die 1,5% Anwartschaft pro Jahr können für alle Erwerbstätigen zu einer akzeptablen bzw. zu erstrebenden Altersversorgung führen. Der erarbeitete Lebensstandard kann damit im Alter gesichert werden.

Die Erwerbstätigenversicherung für die Altersversorgung wird von großen Mehrheiten in diesem Land befürwortet. Sie kann aber nur attraktiv werden, wenn sie zu auskömmlichen Renten für alle führt. Wenn für Beamte, Politiker und Selbständige dagegen der Absturz auf das derzeitige und zukünftige Rentenniveau der gesetzlichen Rente droht, werden sie die Erwerbstätigenversicherung mit allen Mitteln verhindern wollen.

Über die Finanzierbarkeit einer grundlegenden Reform des Rentensystems siehe auch diesen Antrag an den Gewerkschaftstag der IG Metall im Oktober 2019.

(Reiner Heyse, 26.08.2019)