Frau Nahles präsentiert als Zauberkünstlerin ein „Gesamtkonzept”

taschenspieler03Nach langer Geheimniskrämerei veröffentlichte Andrea Nahles am 25.11.2016  ihr „Gesamtkonzept zur Alterssicherung“. Eine Woche ist seitdem vergangen und der Präsentationsnebel ist verflogen. Erkennbar wird jetzt, dass mit einem altbewährten Trick von den entscheidenden Fakten abgelenkt wird.

Wie der Trick funktioniert hat bereits vor 500 Jahren der Maler Hieronymus Bosch in seinem Gemälde „Der Gaukler“ dargestellt: Ein Zauberer oder Trickbetrüger fesselt das Interesse des Publikums. Dieses Manöver wird von einem „Team“kollegen genutzt, um unbemerkt den Geldbeutel der abgelenkten Bürger abzuschneiden.*

So ähnlich läuft die Vorstellung der Sozialministerin. Sie redet viel

  • von den Haltelinien bis 2045 (nicht unter 46% Rentenniveau, nicht über 25% Rentenversicherungsbeitrag),
  • von der Teil-Finanzierung der Babyboomer-Renten durch den Staat ab 2030,
  • von einer Lebensleistungsrente (10% über Grundsicherung),
  • von der vollständigen Angleichung der Ost- an die Westrenten in 9 Jahren und
  • von der Verbesserung von neuen Erwerbsminderungsrenten in zwei bis acht Jahren.

Über all diese Punkte wird öffentlich viel berichtet und gestritten. Der größte Teil dieser Konzeptpunkte wird durch die Koalition nicht beschlossen werden und die Ost- West-Angleichung geschieht sogar fünf Jahre später als im Koalitionsvertrag festgelegt. Dem interessierten Publikum werden also im Wesentlichen die privaten Vorstellungen der Ministerin vorgeführt.

Über die wirklich wesentlichen rentenpolitischen Gesetzesvorhaben der Koalition wird kaum berichtet, sie bleiben im Verborgenen:

  • Das noch stärkere pushen der Riester-Rente durch staatliche Subventionierung und
  • das „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ auf der Basis einer obligatorischen Entgeltumwandlung, ebenfalls mit etlichen Milliarden Steuergeldern subventioniert.

Beide Vorhaben kann man mit dem Beutelschneiden vergleichen. Es werden Lohngelder in einer Größenordnung zwischen 20 und 30 Milliarden € jährlich in die Kassen der Versicherungskonzerne umgeleitet.  Die legen das Geld an und holen Jahr für Jahr wachsende Profite aus diesem Geschäft.

Was nach 20, 30 oder 40 Jahren Sparen für Rentenzahlungen übrig bleibt, kann selbst eine Wahrsagerin nicht vorhersagen ohne rot zu werden.

Das Ergebnis des Täuschungswerkes von Andrea Nahles, den Arbeitgeberverbänden und der Versicherungswirtschaft ist eindeutig:

Es wird alles getan um den beiden maroden Säulen der Altersvorsorge, die betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge, mit Lohngeldern aufzupumpen. Die erstaunlich leise gewährte staatliche Beihilfe in Milliardenhöhe soll den Treibsatz dazu liefern.

Sind die beiden Gesetzesvorhaben in der Welt, werden sie ihre unheilvolle Wirkung entfalten:

  • Der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente werden durch die Entgeltumwandlung viele Milliarden € an Beitragsgeldern entzogen,
  • für die dringend notwendige Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung werden Beitragserhöhungen, wenn überhaupt, sehr viel schwerer zu leisten sein und
  • die Binnennachfrage wird erheblich geschwächt mit drastischen Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

„Das Gesamtkonzept zur Alterssicherung“ ist in Wirklichkeit eine verstärkte Fortsetzung der Politik zur systematischen Altersverarmung. Wer sich nicht vom Rampenlicht blenden lässt und hinter die Kulissen schaut, erkennt schnell die Nutznießer dieser unsozialen neoliberalen Agenda.

(Reiner Heyse, 05.12.2016)

*In seinem viel beachteten Vortrag „Warum schweigen die Lämmer“ erläuterte Prof. Rainer Mausfeld u.a. dass diese Methode heute verstärkt angewendet wird (Wie lassen sich „politisch nachteilige“ Fakten kognitiv und moralisch unsichtbar machen?).

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