Seehofer und Gabriel wieder auf dem Pfad der Rentensenkungs-Tugend

seehofer_gabrielHorst Seehofer und Sigmar Gabriel hatten sich an einem Tag im April 2016 mit richtigen Aussagen weit aus dem Fenster gelehnt. Sie fanden, dass die Rentensenkungen der letzten Jahre zu starker Altersarmut führen würde und dass das Rentenniveau in Zukunft wieder steigen müsse. Schnell wurden sie durch Politiker aus ihren zweiten Reihen (Straubinger und Nahles) korrigiert (siehe Beitrag ALLIANZ (Ober) sticht Seehofer (Unter)). „Wissenschaftliche“ Unterstützung bekamen die neoliberalen Politiker dabei von Bert Rürup. Der ist seit einigen Jahren auf dem Ticket des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) unterwegs. (Das kleine Renten-Einmaleins: Nachhilfe auch für Parteivorsitzende)

Herr Straubinger hat übrigens als Generalvertreter der ALLIANZ-Versicherung, seit der Wahl in den Bundestag 2014 von seinem Arbeitgeber mindestens 336.000€, möglicherweise aber auch 550.000€ für seine Bemühungen erhalten. Das wurde vor kurzem durch das Portal abgeordnetenwatch.de bekannt gemacht.

Nun haben Seehofer und Gabriel auch offiziell den Pfad der Tugend wieder betreten. Und der heißt: Weiter mit dem Absenken des Rentenniveaus, Weiterführung der Riester-Rente mit noch mehr staatlichen Zuschüssen und die betriebliche Altersversorgung nach den Wünschen der Finanzwirtschaft und der Unternehmen kräftig pushen. Sie fahren den Kurs der systematischen Altersverarmung weiter.

Auf dem CSU-Parteitag Anfang November wurde die neoliberale Sozialpolitik im Programm “Die Ordnung” bestätigt:

“Fairness zwischen den Generationen wird über den Generationenvertrag und die Rentenformel sichergestellt. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung muss langfristig eine Balance hergestellt werden: zwischen privater wie betrieblicher Vorsorge, Renteneintrittsalter und gesetzlichem Rentenniveau”.

Die “Rentenformel” sorgt damit weiterhin für das Absenken des Rentenniveaus auf 43% und darunter. Mit “Balance” ist gemeint, dass die private Vorsorge (Riester-Rente) und die betriebliche Altersversorgung ein deutlich stärkeres Gewicht bekommen. Mit der Erwähnung des Renteneintrittalters wird schon mal angezeigt, dass auch die CSU eine Erhöhung auf 69 oder 71 Jahre durchsetzen will.

Mit der SPD des Sigmar Gabriel sieht es nicht viel anders aus. Gabriel erklärte sich auf dem “Arbeitgebertag 2016” in der letzten Woche. Er “verlangte “Maß und Mitte” bei den Erwartungen an die Rentenpläne der Koalition. Die Größenordnungen, die derzeit diskutiert würden, seien zurückhaltend gesagt anspruchsvoll, sagte Gabriel auch an die Adresse der eigenen Partei.” (dpa, 15.11.)

Über den schon von der CSU aufgestellten rentenpolitischen Eckpfeilern, bringt Gabriel die Mindestrente als Wahlkampfthema ins Spiel. Das klingt erst einmal vernünftig (wie seine vergessenen Worte aus dem April). Schaut man hinter die Kulissen, dann ist damit die Lebensleistungsrente gemeint. Die hat nach dem SPD-Konzept eine Höhe, die derzeit ca. 30€ bis 40€ über der Grundsicherung (Sozialhilfe) liegt. Diese Lebensleistungsrente wird wegen der unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten für die Grundsicherungsbeträge und die Mindestrenten in wenigen Jahren unter den Sozialhilfesatz rutschen. Viel Tam Tam um wenig bis nichts. Ein reines Placebo.

Was also war die Absicht der außergewöhnlichen Äußerungen Seehofers und Gabriels im April?

Es waren sicher keine naiven Ausrutscher, sondern wohlkalkulierte Äußerungen um die Wähler hinters Licht zu führen. Irgend etwas positives wird schon im Meinungsbild hängenbleiben.

(Reiner Heyse, 21.11.2016)