Ampel-Sondierer stellen die Aktienrente auf grün

Ampel-Sondierer stellen die Aktienrente auf grün

Die Ampelsondierer sind sich einig. Sie wollen die Aktienrente so schnell wie möglich einführen und die umlagefinanzierte Rente weiter schwächen. Ein Friedrich Merz wird nicht mehr benötigt, um die Interessen von BlackRock, ALLIANZ und Co. in der künftigen Bundesregierung zu vertreten.

Das 12-seitige Sondierungspapier von SPD, GRÜNEN und FDP enthält viel Ungenaues und Abwägendes, bei der Rente wird es erstaunlich eindeutig und konkret:

„Wir (werden) zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen.“

Das ist eine klare Ansage. Die Ampelkoalition will in einem atemberaubenden Tempo den Einstieg in die Aktienrente organisieren. Und das nicht nur im Rahmen der Betriebsrenten und Privaten Rentenversicherung wie es SPD und GRÜNE in ihren Wahlprogrammen forderten, sondern unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist FDP pur und ist ein weiterer Schritt zur neoliberalen Umgestaltung des Sozialstaates.

In dem ganzen Papier gibt es nicht eine einzige Stelle, an der über die Finanzierung der Regierungsvorhaben Angaben gemacht werden. Außer einer Garantie zum Einhalten der Schuldenbremse, dem Ausschluss von jedweder Steuererhöhung oder Einführung einer Vermögenssteuer und der Absicht, privates Kapital zu aktivieren, findet sich nichts…

… bis auf die 10 Milliarden Euro, die quasi sofort nach Regierungsantritt an die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) überwiesen werden. Die DRV soll das Geld irgendwie an irgendwelchen Kapitalmärkten anlegen. Nichts Genaues weiß man nicht, aber es ist davon auszugehen, dass passende Pläne in diversen Schubladen von Finanzkonzernen und einschlägigen Think Tanks vorhanden sind.

Das viel propagierte schwedische Vorbild, das keines sein kann

Vorbild ist dabei die schwedische Prämienrente. Die wird in den Wahlprogrammen der FDP und der SPD als nachahmenswert dargestellt. Die Mainstream-Medien in Deutschland propagieren diese Rente spätestens seit 2019 und lassen dabei ausschließlich Lobby-Wissenschaftler der Unternehmerverbände und der Finanzkonzerne zu Wort kommen.

Bezeichnenderweise werden dabei nur die hohen Renditen der letzten sechs Jahre erwähnt. Die Werteentwicklung der Prämienrente zeigt seit ihrer Einführung 2000 erhebliche Schwankungen zwischen minus 8% und plus 8%. Dieser Sachverhalt wird in Deutschland tunlichst verschwiegen.

Wie lange die Phase der hohen Renditen anhält, wann es den nächsten Einbruch gibt, wie tief er sein wird und wie lange er dauert, kann kein Mensch realistisch einschätzen. Unerwähnt bleibt in den Propaganda-Veröffentlichungen hierzulande auch der überaus geringe Beitrag, den die Prämienrente für die Altersversorgung in Schweden spielt. Ganze 2% der gesamten Rentenzahlungen wurden 2019 aus der Prämienrente gespeist. 62% kamen aus der umlagefinanzierten Rente, 27% aus den Betriebsrenten, 5% aus Privatrenten und 3% aus der Garantierente.
(Siehe auch den Artikel: Der schwedische Renten-Wunder-Weg – entzaubert –)

Riester? Aber sicher werden die Spareinlagen gesichert…

Die Riester-Rente ist auch für die Ampelkoalitionäre gescheitert. Statt daraus die richtigen Lehren zu ziehen, wird bruchlos das Abenteuer der Aktien-Rente gestartet. Für die noch rund 12 Millionen Riestersparer gibt es Trost mit fadem Beigeschmack:

„Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge.“

Mit Riester-Verträgen wird das Geld der Sparer verbrannt. Kommen nur die eingezahlten Beiträge zur Auszahlung, wird die Inflation in den kommenden Jahrzehnten an Kaufkraft nicht viel übriglassen. Der einzig richtige Weg wäre das Angebot, die Riester-Sparguthaben in Anwartschaften auf die gesetzliche Rente zu wandeln.

Aber es gibt ja noch die andere Seite des Bestandschutzes. Mittlerweile haben die Riester-Konten ein Vermögen von weit über 150 Milliarden Euro angehäuft und es wird weiter anwachsen. Für die Sparer sind die unsicheren Riesterrenten in jahrzehntelanger Ferne. Für die Versicherungskonzerne bleibt das Jahr für Jahr ein lukratives Geschäft.

Weitere Renten-Versprechen: Billig und irreführend…

Auch diese Passage im Sondierungspapier klingt tröstlich:

„Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent sichern. Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben.“

Selbst wenn das Rentenniveau (gemeint ist immer Nettorente vor Steuerabzug) tatsächlich langfristig bei 48% bleibt, ist das eine Irreführung. Die zunehmenden Besteuerungsanteile führen dazu, dass das tatsächliche Nettorentenniveau bis 2040 um weitere 8% sinken wird. Dass es keine nominellen Rentenkürzungen geben wird, ist seit 2009 Gesetz – das Versprechen, daran nichts zu ändern ist also ziemlich billig. Das gilt ebenso für die Absicht, das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht (weiter) anzuheben. Schon jetzt gilt: bis 2031 wird das Renteneintrittsalter auf 67 erhöht. Bereits die Rentenkommission hatte letztes Jahr empfohlen, es wäre sinnvoll, erst nach 2025 zu einer weiteren Anhebung tätig zu werden.

Auch für die Betreiber der privaten Altersvorsorge gibt es Verheißungsvolles.

Die Zahl der aktiven Riester-Verträge sinkt, das neue Betriebsrentenmodell (Nahles-Rente – Betriebsrentenstärkungsgesetz aus 2017) ist bereits nach 3 Jahren so gut wie tot. Auch hier wird es keine Lehren zum Wohle der Erwerbstätigen geben.

„Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen.“

Das ist ziemlich genau der Weg der Risiko-Renten, der von BlackRock, ALLIANZ und Co. gefordert weird. Damit wäre Deutschland auch kompatibel mit dem EU-Projekt „Paneuropäisches Pensions Produkt“ (PEPP), das europaweit im nächsten Jahr eingeführt werden soll (siehe auch Artikel: “Die Riester-Rente ist tot – es lebe die Risiko-Rente!“ und „EU-Kommission droht: wir kümmern uns um eure Renten!“).

Medien und Gewerkschaften – Ahnungslos oder im Kooperationsmodus?

Dass die Medien diesen weiteren Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik im besten Fall als Randereignis und dann überwiegend zustimmend kommentieren, ist nicht überraschend. Die unkritische Übernahme der Propaganda von den mit „Rentenexperten“ betitelten Lobbyisten wie Börsch-Supan, Raffelhüschen und Werding lassen auch keine andere Erwartung zu.

Die Gewerkschaften schweigen bis zum heutigen Tag und das wiegt noch viel schwerer. Zu den Rentenplänen ist keine Äußerung aus Vorstandsetagen bekannt. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann lobt das ganze Sondierungspapier über den grünen Klee: 

„Das Sondierungspapier (bietet) eine beachtliche erste Grundlage.  .. Die … vereinbarten Ziele – wie mehr tariflich bezahlte und mitbestimmte Arbeit, ein Mindestlohn in Höhe von 12 Euro, eine Rente, die zum Leben reicht, und ein verlässlicher Sozialstaat – müssen zügig umgesetzt werden.“ (aus der DGB-Presseerklärung vom 15.10.)

Die Aussagen zur Rente und zum Sozialstaat sind eine Verhöhnung der Interessen von 6 Millionen Mitgliedern. Hoffmann scheint sich nur noch den Interessen der SPD verpflichtet zu sehen. Die Vorstände der Einzelgewerkschaften lassen ihn gewähren. In einem 2016 beschlossenen Rentenpositions-Papier hatte der DGB-Vorstand als Ziel benannt: „Politische Anschlussfähigkeit insbesondere bei den großen Parteien herstellen“.

So etwas kann man auch Kooperationsstrategie nennen. Mit wem dann aktuell kooperiert wird, hat FDP-Lindner so verkündet: 

„Wir sind überzeugt nach diesen Gesprächen, dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren.“

„Die Idee einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft könnte Prägekraft über unsere Partei hinaus haben – die Betonung liegt dabei auf Marktwirtschaft.“ (im Handelsblatt 15.10.21)

Mit anderen Worten: “Privat vor Staat” – das wird auch im Sozialbereich verstärkt durchgesetzt und bekommt das Etikett “Modernisierung”. Und die Gewerkschaften stehen daneben und halten das für beachtlich? Das kann so nicht bleiben!