Vom Nachbarn Österreich lernen!

wsi_report_27Von der Leserin C.S. bekamen wir folgende E-Mail:

„Sozial, wirtschaftlich und politisch sind sich Deutschland und Österreich sehr ähnlich. Trotzdem sind die beiden Länder bei den Reformen ihrer Rentensysteme ganz unterschiedliche Wege gegangen. In Österreich konzentriert sich die Altersversorgung nach wie vor weitgehend auf die umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung (GRV), in die auch die Selbständigen einbezogen wurden und deren Bestimmungen schrittweise für Beamte zur Anwendung kommen. In Deutschland wurde und wird über die kommenden Jahre das Niveau dieser “ersten Säule” dagegen deutlich reduziert, um den Beitragssatz in der GRV zu stabilisieren. Die geringeren Leistungen sollte vor allem die private, aber staatlich subventionierte, Riester-Vorsorge ausgleichen.

Beschäftigte sind in Deutschland schlechter abgesichert. Nach rund 15 Jahren lassen sich laut einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung deutliche Konsequenzen dieser unterschiedlichen Ansätze beobachten:

In Deutschland sind Beschäftigte über die GRV mittlerweile weitaus geringer abgesichert. Das unterstreichen zahlreiche Kennziffern. Beispielsweise erhielten im Jahr 2013 langjährig (mindestens 35 Jahre) und besonders langjährig (mindestens 45 Jahre) versicherte Männer, die neu in Rente gingen – die Einschränkung auf Männer erfolgt, weil hier in der Regel von durchgehender Vollzeitbeschäftigung ausgegangen werden kann – in Deutschland im Durchschnitt 1.050 Euro monatliche Altersrente. In Österreich kam ein vergleichbarer Neurentner dagegen auf 1.560 Euro – bei 14 Auszahlungen pro Jahr.“

Anmerkung: Die Lektüre des WSI-Reports (am 15.1.16 veröffentlicht) ist überaus interessant. Sie beschreibt nicht nur die unterschiedlichen Systeme und warum das österreichische dem deutschen Altersversorgungssystem fundamental überlegen ist. Es beschreibt vor allem auch die Entwicklung der letzten 15 Jahre: Auch in Österreich sollte das umlagefinazierte System zunehmend durch kapitalgedeckte private Versicherungen geschwächt werden. Das wurde nicht nur durch eine starke gesellschaftliche Gegenwehr, allen voran die Gewerkschaften, verhindert. Man reformierte die alte umlagefinanzierte Retnenversicherung auch in Richtung Erwerbstätigenversicherung, in der jetzt schon die Selbständigen versichert sind und in die, im weiteren Verlauf, auch die Beamten einbezogen werden sollen.

Wie grundlegend anders verlief die Entwicklung in Deutschland: Die zunehmende Privatisierung der Altersversorgung erhielt schnell den Segen und die Kooperation der Gewerkschaften. Das Scheitern dieses Paradigmenwechsels wird bis heute nicht eingestanden.

Die riesigen gesellschaftlichen Probleme, die sich in abermillionenfacher Altersverarmung ausdrücken werden, erfordern ein energisches Umsteuern! Abtauchen vor den Problemen oder gar das Bedämpfen des Widerstands dagegen, sind ein Skandal.

Hier die WSI-Studie: Alterssicherung in Deutschland und Österreich: vom Nachbarn lernen?

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9 Kommentare

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  2. und die Grünen wollen nicht die gesetzl. Rente stärken und sichern, sie wollen weiter die Versicherungskonzerne unterstützen:
    hib – heute im bundestag Nr. 69
    Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen
    Fr., 05. Februar 2016,
    Reform der Riester-Rente
    Arbeit und Soziales/Antrag
    Berlin: (hib/CHE) Die private Altersvorsorge soll reformiert und transparenter gestaltet werden. Das verlangt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/7371). Sie kritisiert darin, dass die private Altersvorsorge in Form der sogenannten Riester-Rente gescheitert sei, weil diese ihre Funktion, das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente auszugleichen, nicht erfüllt habe.

    Die Grünen fordern von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der ein kostengünstiges Basisprodukt in Form eines Pensionsfonds als Standardweg der kapitalgedeckten Altersvorsorge einführt. Ferner soll die bisherige Riester-Förderung neu organisiert werden, indem unter anderem die Förderung von Neuverträgen auf eine reine Zulagenförderung umgestellt wird. Die Grundzulage soll spürbar erhöht werden, um das Modell auch für Geringverdiener attraktiver zu machen. Der Antrag verlangt außerdem, über verbraucherpolitische Maßnahmen die Transparenz der bestehenden Riester-Produkte zu erhöhen.
    http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/073/1807371.pdf

  3. Gleich hinterher, der Artikel dazu von Gert Flegelskamp:

    Verfassungsbruch?

    Die Nachdenkseiten haben anlässlich einer Sendung von REPORT(1), in der der Versicherungswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski die These vertritt, dass die Ausgliederung der Berufsunfähigkeitsversicherung aus dem Rentensystem durch den ehemaligen Arbeitsminister Walter Riester ein Bruch der Verfassung gewesen sei, den Prof. interviewt.

    In diesem Interview mit Jens Wernicke(2) von den Nachdenkseiten erläutert der Professor nochmals seine bei Report geäußerten Begründungen, die von einem Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsgebot ausgehen und eine Rücknahme dieser Entscheidung fordern. Meine Sicht der Dinge geht damit konform und geht sogar noch einen Schritt weiter, denn aus meiner Sicht ist auch der die Renten kürzende Riesterfaktor ebenso wie der in dieser Ägide eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor ein Verfassungsbruch. Aber was tut man nicht alles für Freunde und das waren Riester, Schröder, Rürup und Maschmeyer ganz offensichtlich. Riester hat sich mit seinen Vorträgen, die er zum Thema Riester-Rente abgehalten hat, eine goldene Nase verdient, die “Reform-Treiber” bei der Rentenreform waren Rürup und Raffelhüschen, die beide so ganz nebenbei für die private Versicherungswirtschaft tätig waren und mit nachweislich gefälschtem Zahlenmaterial gearbeitet haben, wie Horst Morgan, ebenfalls in einem Interview mit den Nachdenkseiten(3) darlegt. Dazu sei hier mal wieder auf die Seite “Altersarmut per Gesetz” und die Seite des AdG hingewiesen. Herr Morgan hat akribisch das Alterseinkünfte-Gesetz studiert und die “Fehler” (so denn es Fehler waren und keine Absicht) herausgearbeitet und auf seiner Seite veröffentlicht. Auf der Seite des AdG findet man dank der akribischen Arbeit von Otto W. Teufel die “Teufelstabelle”, die Aufschluss darüber gibt, wie viel Bares die Politik dank Zweckentfremdung mittels Fremdlasten zur Steuervermeidung für die nicht gesetzlich Rentenversicherten umverteilt hat. . . . hier weiter:
    http://www.flegel-g.de/2016-01-26-Verfassungsbruch.html

  4. Und noch etwas:

    Wirklich sehr lesenswert, weil gut erklärt.
    Denn viele Rentner meinen, es betrifft sie nicht, da viele Renten ohnehin nicht so hoch sind.
    Es ist schwer zu begreifen: Steuerlich-finanzielle Nachteile haben zunächst ausnahmslos alle Pflichtversicherten, die vor dem 1.1.2005 arbeiteten. Wenn sie dann als Rentner diese Nachteile einfach hinnehmen und vergessen wollen, nur zu. Oder sind sie nur zu müde genau zu lesen und vor allem etwas dagegen zu tun. . .

    Der große Rentenbetrug

    Dass die zunehmende Zerschlagung des Sozialstaates ein Elitenprojekt mit dem Ziele der „Akkumulation durch Enteignung“ ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Und auch, dass dabei vieles nicht mit rechten Dingen zuging und immer wieder einmal auch die Verfassung verletzt wurde und wird. Dass vieles an der „Logik des Sachzwanges“ aber grundlegend und nachweislich auf Fehlanalysen, Verdrehungen und Manipulation beruht und damit die Grundlagen etwa der massiven Rentenkürzungen der letzten Zeit unhaltbar sind – das ist neu. Jens Wernicke sprach hierzu mit Horst Morgan vom Internetportal „Altersarmut per Gesetz“, der die argumentativen und rechtlichen Grundlagen der forcierten Altersarmut als unhaltbar entlarvt. . . . hier weiter:
    http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=30551

  5. Was können die Österreicher, was wir nicht können?

    Wir müssen die gesetzl. Rentenbeiträge aus den Löhnen der Versicherten vor dem Zugriff aus der Politik schützen. Es gibt keine Zweckbindung der Rentenbeiträge, es gibt keine Verpflichtung alle Ausgaben der GRV auch transparent zu bilanzieren. Etwas was doch wohl jeder Treuhänder fremder Gelder sicher zu stellen hat?
    Das BVerG hat die Rentenbeiträge zu öffentlichen Mitteln gemacht, das ist einer der ursächlichen Strickfehler. Politik und Justiz haben für sich selbst nicht nur wesentlich bessere Regelungen geschaffen, sie haben auch spätestens seit 1978 elementare Grundrechte für die Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung außer Kraft gesetzt, Gleichheitssatz, Eigentumsschutz für die Beiträge, Rechtsstaatsprinzip (keine rückwirkenden Eingriffe) Nachlesen kann man das in den Entscheidungen des BVerfG vom 01.07.1981 (1 BvR 874/77 u.a.) oder vom 27.02.2007 (1 BvL 10/00, Absätze 53, 55 und 70). Nur wie das wieder korrigieren?
    Aber es geht auch anders und da haben die Richter des BVerfG genau richtig geurteilt, nur leider nicht für gesetzl. Rentenversicherte. Allein das ist schon ein Grund, dass der nächste ursächliche Strickfehler beseitigt werden muss: Alle müssen von rentenpolitischen Maßnahmen betroffen sein. Wäre dann das Alterseinkünftegesetz, der Riesterbetrug, die sonstigen willkürklich rentenkürzenden Faktoren möglich gewesen?
    2004 sind alle dafür relevanten SGBs geändert worden, um die GRV teilzuprivatisieren!!
    Hier der Auszug die bemerkenswert ist zur Künstlersozialkasse, die folgerichtig Belastungen durch versicherungsfremde Leistungen ausschließt, genau das aber wird den gesetzlich Rentenversicherten verweigert, für sie gilt die übergeordnete Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers. Damit ist auch die Selbstverwaltungsautonomie der GRV ausgehebelt.:
    . . . . Bundesverfassungsgericht
    Beschluß des Zweiten Senats vom 8. April 1987
    -2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83 und 142/84
    . . “Die Gefahr der Aushöhlung besteht insbesondere dann, wenn die Sonderabgaben unter Berufung auf Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern ausgedehnt und so ausgestaltet werden, daß sie an die Stelle von Steuern treten können. Wegen dieser Konkurrenz versagt es das Grundgesetz dem Gesetzgeber kompetenzrechtlich, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden . .
    . . Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ist ausgeschlossen.”

  6. Mit der Agenda 2010 hat die SPD/GRÜNE in den Jahren 2003 bis 2005
    die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, die den größten
    Sozialabbau seit bestehen der BRD beinhaltet. Große Teile der
    Oppostionsparteien CDU/CSU u.FDP haben das “Konzept”
    unterstützt und aktiv mitgestaltet.

    Mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 hat die
    SPD/Grüne beschlossen, dass das Rentenniveau von derzeit 47,9
    Prozent (Oktober 2014 – Oktober 2013 48,7 Prozent) im Jahre 2020 auf
    46 Prozent und im Jahre 2030 auf 43 Prozent absinkt.
    Das 3 Säulen-Programm ist längst gescheitert.
    Gesetzliches Rentenniveau in Deutschland bei OECD-Ländern am unteren Rand.
    Österreich relativ weit oben.
    In Deutschland bekommt ein Rentner im Durchschnitt 1.050,– monatlich.
    In Österreich bekommt ein Rentner im Durchschnitt 1.560,– monatlich und 14 Auszahlungen.!
    Wann werden die Menschen in unserem Land endlich wach?
    Wann endlich bekommen diese Politiker einen Denkzettel für ihre Politik?
    Wie leidensfähig sind die Deutschen noch?

  7. Wieso wird dieser österreichische Erfolg nicht mehr diskutiert: in der SPD , in Gewerkschaften und sozialverbänden?
    Mindestrente höher als unsere Grundsicherung, eckrentner bekommt im Jahr 75% mehr als unserer, Arbeitgeber zahlen 5% mehr ein als hier, ohne pleitezugehen, sodass Arbeitnehmer in der Einzahlung nicht höher als unsere belastet werden:
    Das wärs doch!!! Bitte weitgehend kopieren!

  8. Im Artikel ist zu lesen, dass die Gewerkschaften eine wichtige Rolle gegen die Private Vorsorge gespielt haben. In Deutschland stehen einige Gewerkschaften, hauptsächlich die IG Metall noch immer für die private Vorsorge. Wohl weil ein Metaller (Riester) die sogenannte “Riesterrente” erfunden hat. Der Führung fehlt es an Mut, zuzugeben das dies ein falscher Weg war. Für die “Metallrente” wird immer noch als sichere Altersvorsorge geworben. Der Weg kann nur eine Reform der umlagefinanzierten Rentenversicherung, in die alle einbezahlen, sein.

  9. Pingback: „Und sie bewegt sich doch“ (III) – die Rentenpolitik, in die richtige Richtung. – Seniorenaufstand

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