“Fridays gegen Altersarmut”? – die Alarmglocken werden lauter.

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In Kiel wurde “Fridays gegen Altersarmut” abgesagt. Stattdessen trafen sich 30 Teilnehmer zur Kundgebung des “Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus” – Anhang 1 – unten. Auch in Plön wurde die Mahnwache abgesagt. Im Vorfeld hatte der Bürgermeister eine couragierte Presseerklärung abgegeben – Anhang 2 – unten.

„Fridays gegen Altersarmut“? – die Alarmglocken werden lauter.

„Fridays gegen Altersarmut“ ist ein weiteres deutliches Signal dafür, dass die Rechten und Neo-Nazis versuchen, mit „Sozialpolitik“ Menschen zu fangen (*). Die Antworten der sozialreformerischen und linken Kräfte darauf sind wütend bis hilflos, auf jeden Fall aber unzureichend. 

 

Aufmerksamkeit und Verunsicherung sind groß: Über 300.000 „Mitglieder“ soll die Bewegung nach einem halben Jahr schon haben. Dabei wird der Unterschied zwischen facebook-„Freunden“ und „Mitgliedern“ eingeebnet. „Follower“ bzw. „Freunde“ werden zu Gruppenmitgliedern, ganze „Freundesgruppen“ können zur Gruppe „Fridays gegen Altersarmut“ zugeschlagen werden. Alles mit einem einfachen Mausklick. Mit „Mitglied“ im Sinne von Bekenntnis zu Zielen, bewusstem Beitreten, verbindlicher Aufnahme oder gar Mitgliedsrechten hat das nichts zu tun.

 

Am 24. Januar, dem ersten bundesweiten Aktionstag, sollen dann in ca. 180 Städten deutlich weniger als 1% dieser „Mitglieder“ anwesend gewesen sein. Sicher wäre es ein Fehler, die Protestierer gegen die Altersarmut pauschal dem rechten Lager zuzuordnen. Und es gibt ja auch mindestens 3,5 Millionen Gründe (betroffene Menschen), sich gegen Altersarmut zu engagieren.

 

Es gibt auch genug Gründe, gegen die Rentensenkungspolitik der letzten 30 Jahre zu protestieren. Der Rechtsaußen-„Flügel“ der AfD in Thüringen versucht seit 2018 mit dem Konzept „Die Produktivitätsrente“ zu punkten. Ein Konzept, das viel gefährlicher ist, als die neoliberalen Vorstellungen von Meuthen/Weidel.

 

Auch betriebspolitisch gibt die AfD sich sozial. Sie hat bereits vor ein paar Jahren begonnen, Betriebsorganisationen aufzubauen, die bei den Betriebsratswahlen im vergangenen Jahr besonders in der Automobilindustrie Erfolge erzielen konnte. 

Bei den Wahlen zu Landtagen, zum Bundestag und zum Europaparlament der vergangenen drei Jahre hatte die AfD bei den Arbeitern und Arbeitslosen überdurchschnittliche Ergebnisse von 10% bis 30% eingefahren.

 

Das Umfeld, in dem die Rechten sich als „Kümmerer“ oder „Interessenvertreter“ in Szene setzen können, wurde durch die Sozialabbaupolitik der letzten 20 Jahre regelrecht befeuert. Agenda 2010 mit Hartz IV und die Rentensenkungsprogramme von Riester und Rürup haben zu zunehmender Armut und die Aussicht auf ein katastrophales Millionenschicksal von Altersarmut geführt. Die Angst vor dem Absturz ins soziale Elend geht bis weit in die Mittelschichten.

 

Die Bedrohung, dass Rechte und Neo-Nazis mit „Sozialpolitik“ diese Lage ausnutzen, wächst spürbar.  

 

Auch die Kieler IG Metall Jugend beteiligte sich an der Kundgebung des Runden Tisches und sprach sich für den Kampf gegen Altersarmut, aber gegen die Vereinnahmungsversuche durch AfD & Co. aus.

Was ist dagegen zu tun?

Es ist zwar notwendig, sich den Rechten entgegenzustellen und den wahren nationalistischen und rassistischen Kern ihrer Politik zu enthüllen. Es ist auch richtig deutlich zu machen, dass sie teilweise unsere Inhalte klauen, um sich als Wölfe im Schafspelz zu tarnen.

 

Das reicht aber bei weitem nicht aus. Entscheidend wird sein, dass die sozialreformerischen und linken Kräfte in diesem Land entschlossener, überzeugender und lauter Sozialpolitik betreiben.

Wir müssen endlich Sozialpolitik machen, die den Namen auch verdient, mit deutlichen Forderungen und Konzepten und keine Begleitmusik, die den Sozialabbau nur zu dämpfen versucht. 

Gewerkschaften, Sozialverbände, Parteien/Parteigliederungen, Vereine und engagierte Einzelpersonen haben die Aufgabe, gemeinsame Reformziele zu erarbeiten und gemeinsame Kampagnen zu starten. Offensive ist die einzige erfolgversprechende Strategie gegen Rechts.

 

Die Gewerkschafter im „Seniorenaufstand“ haben auf einer Arbeitstagung im November letzten Jahres dazu einen Vorschlag für gemeinsame rentenpolitische Ziele erarbeitet. „Die nächste Rentenreform muss einen gründlichen Richtungswechsel bringen.“ 

Es wird spannend, ob diese Initiative angenommen wird.

 

(*) Dass die Initiative und Verbreitung von „FgA“ von rechten Organisationen ausgeht, wurde unter anderem auf wikileaks veröffentlicht: https://de.wikipedia.org/wiki/Fridays_gegen_Altersarmut

 

Anhang 1:

Kiel. Rund 30 Menschen haben gestern Mittag auf dem Kieler Rathausplatz an einer Kundgebung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus teilgenommen. Anlass waren die bundesweiten Proteste der Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“, der Runde Tisch kritisiert diese Bewegung scharf. „Wir wollen verhindern, dass rechte Kräfte Menschen beim Thema Altersarmut gegeneinander ausspielen“, sagte Dietrich Lohse, Verdi-Vertreter und Sprecher des Runden Tisches.

Der Vorwurf: Die Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ werde von rechten Kreisen unterwandert und instrumentalisiert. „Fridays gegen Altersarmut“ entstand im Spätsommer 2019, die Facebook-Gruppe der Bewegung hat mehr als 300 000 Mitglieder. Mehrere Administratoren (Leiter) der Gruppe verkehren in rechten Kreisen, zu den Protesten von „Fridays gegen Altersarmut“ riefen unter anderen die Partei „Die Rechte“ und der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen auf.

Für gestern waren bundesweit Kundgebungen der Bewegung geplant, auch in Kiel. Die Kundgebung in Kiel wurde aber wieder abgesagt, stattdessen demonstrierte der Runde Tisch mit vielen Gewerkschaftern gegen die Instrumentalisierung des Themas Altersarmut von Rechten. „Die Flüchtlinge sind nicht schuld an der Altersarmut, wie es von den Rechten gerne vermittelt wird. Ein erfolgreicher Kampf gegen Armut ist nur möglich, wenn wir alle zusammenstehen“, sagte Dietrich Lohse. Er setzt sich weiter für den Kampf gegen Altersarmut ein – die Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ sei dafür aber kein geeigneter Vertreter. bic

Quellenangabe: Kieler Nachrichten vom 25.01.2020

 

Anhang 2:

Gute Nachrichten auch aus Plön, dabei eine bemerkenswerte Stellungnahme des Bürgermeisters, übermittelt von den OMAS gegen Rechts:

… in Plön war dann auch nix los… Zuvor hatte Bgm. Winter noch eine PE abgegeben…

Die Fridays gegen Altersarmut Veranstaltung morgen in Plön ist abgesagt. Gut so. Vor der Absage hatte ich eine Presseerklärung dazu abgegeben:

Bürgermeister Winter demonstriert gerne gegen Altersarmut – nicht aber am Friday und warnt!

Derzeit nehmen sich rechtsgerichtete Organisationen dem Thema Altersarmut an; aber warum, fragt sich Bürgermeister Winter?

Die Gewerkschaften haben sich schon immer den Belangen der Arbeitnehmer*innen angenommen und dazu gehört auch das Thema Altersarmut.
Das tun sie schon länger und die Gewerkschaften erreichen viel für Arbeitnehmer*innen. Man denke nur einmal an den Mindestlohn – ein Schritt in die richtige Richtung gegen Altersarmut, ein Schritt auf dem noch weitere Schritte folgen müssen.

Bürgermeister Winter rät den Plöner*innen, Gästen und Besuchern Plön`s:

„Schauen Sie sich ganz genau an, wer eine Demonstration, eine Mahnwache gegen Altersarmut organisiert. Ist das Motiv der Organisatoren wirklich gegen Altersarmut zu demonstrieren oder wollen die Organisatoren nur Sie, die Demonstranten für eine rechtsgerichtete Bewegung gewinnen?

Informieren Sie sich unbedingt über die Organisatoren ehe sie an einer Demo oder Mahnwache teilnehmen!“

Viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen, die sich gegen Altersarmut einsetzen sind nicht rechtsgerichtet.

Bürgermeister Winter: „Schauen Sie in der Presse und im Internet nach, wer sind die Organisatoren der Demo oder Mahnwache und laufen Sie nicht Gefahr plötzlich durch ihre Teilnahme an einer Demo oder Mahnwache in eine rechte politische Ecke gedrängt zu werden, weil Sie bei einer Demo oder Mahnwache teilgenommen haben, deren Organisatoren rechtes Gedankengut verbreiten.“

(Reiner Heyse, 27.01.2020)